Der erste und der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets. Alpha Omega. Das ist der Name meiner Einsatzstelle. Was im christlichen Kontext für das Allumfassende Gottes, insb. Jesus steht, hat in der hier noch eine andere Bedeutung.
Alpha Omega (AO) arbeitet mit Menschen mit Beeinträchtigungen. Kämpft für Integration und gegen Marginalisierung. Keine leichte Arbeit. In weiten Teilen Indonesiens werde ein beeinträchtigtes Kind noch immer als Gottesstrafe für die betroffenen Familien gesehen, erzählte meine Chefin und Leiterin der Einrichtung Pdt. Monalisa Ginting. Zudem führten die hohen Kosten für medizinische Behandlung und lebensnotwendiges Equipment dazu, dass sich viele Familien die Versorgung eines beeinträchtigten Kindes nicht leisten könnten. So würden Kinder auf der Straße ausgesetzt und von der Polizei oder direkt von den Eltern zu AO gebracht.
Der Name wird hier auch als Anfang vom Ende verstanden. Denn für die Kinder ist die Einrichtung ein Neuanfang. Hier aufgenommen zu werden, garantiert ihnen ein Leben in Würde. Sie scheinen glücklich zu sein. Gleichzeitig ist AO auch ihre Endstation. Die Familien holen sie in den seltensten Fällen zurück. Ihre Beeinträchtigungen verhindern ein Leben ohne Unterstützung. Also bleiben sie hier. Alpha Omega ist allumfassend. Alpha Omega ist ihr Leben.
Auch deshalb wächst die Einrichtung immer weiter. Aktuell leben in dem Waisenhaus in Juma Lingga 87 Kinder und Erwachsene. AO sorgt zudem für die Beschulung der Jüngeren und betreibt eine Schule für Menschen mit Beeinträchtigung in Kabanjahe. Nachmittags haben die Kinder die Möglichkeit, sogenannte „Extras“ zu besuchen und gemeinsam zu tanzen, zu basteln oder Sport zu treiben. Darüber hinaus versteht sich die Einrichtung als Interessensvertretung. Das Personal von AO ist in der gesamten Region unterwegs und wirbt für die Integration von Menschen mit Beeinträchtigung, betreut Selbsthilfeeinrichtungen und schafft Weiterbildungsangebote für betroffene Familien. Hinzu kommt, dass das Waisenhaus nahezu autark ist. Denn in Juma Lingga befinden sich etliche Plantagen. Es werden Kühe, Schweine, Ziegen und Hühner gehalten. Außerdem wird Café angebaut. Der wird sowohl in Bohnenform als auch in dem inklusiven Kaffee der Einrichtung verkauft. Eine weitere Einnahmequelle stellt die Verarbeitung selbstangebauten Gemüses zu Chips und deren anschließender Verkauf dar. Bei AO sind 80 Mitarbeiter:innen angestellt. Sie kümmern sich um Betreuung, Beschulung, Küche, medizinische Versorgung, Administration, Café, Garten, Landwirtschaft und den Kompost. Ich schätze ungefähr ein Fünftel von ihnen hat selber eine Beeinträchtigung.
Meine Arbeit selber lässt sich gar nicht so einfach zusammenfassen. Jeden Monat setze ich mich mit meiner Chefin zusammen und wir erarbeiten einen Arbeitsplan für die kommenden vier Wochen. Mein Tag beginnt täglich um 7.30 Uhr. Ich sorge dafür, dass alle Kinder im Schulbus sitzen und dann fahren wir gemeinsam nach Kabanjahe. Ungefähr die Hälfte der Tage arbeitete ich dann bis mittags in der Schule. Die Klassen sind nach Beeinträchtigungen sortiert. Der Lehrer:innenschlüssel nie größer als 1:5. Neben der Vermittlung intellektueller und motorischer Fähigkeiten erfolgt die Beschulung orientiert an den spezifischen Bedürfnissen der Kinder. So wird Zählen und Schreiben ebenso geübt, wie Schlucken und Lippenlesen. Die Lehrer:innen unterrichten nie die gesamte Klasse, sondern erteilen den Schüler:innen individuelle Aufgaben. So bin ich immer für ein oder zwei Kinder verantwortlich. An anderen Tagen arbeite ich in der Küche und assistiere beim Zubereiten des Essens für die Kinder. Dort stellen wir auch die Chips zum Verkauf her. Außerdem werde ich in der Werkstatt eingesetzt. An meinen ersten Arbeitstagen brachte mir eine gehörlose Frau bei, Batik herzustellen. Eine tolle Erfahrung. Die produzierten Stoffe werden ebenfalls im Shop verkauft. Aktuell bin ich verantwortlich für das Basteln von 100 Weihnachtskarten mit den Kindern. An den Nachmittagen variiert meine Arbeit in gleichem Maße. Im Rahmen der „Extras“ habe ich bereits mit den Kindern am Silat-Training teilgenommen, den traditionellen Tanz der Karo gelernt oder gemalt. Ich habe auf dem Feld und im Garten gearbeitet. Im Kompost und der Küche geholfen. Im Café gekellnert. Darüber hinaus finden immer wieder Tagesveranstaltungen statt, zu denen ich ausnahmslos mitgenommen werde. So habe ich an Seminaren für Lehrkräfte oder Eltern teilgenommen, Veranstaltungen zur Interessenvertretung besucht oder mit Sponsor:innen Ausflüge in der Gegend gemacht. Ich bin unfassbar dankbar, für die sehr vielseitigen Eindrücke der vergangenen Monate.
One Responses
Hallo Marie. Danke für den tollen Blogbeitrag. Du vermittelst mir in den Blogs einen tollen Einblick in dein aktuelles Leben und das deines Umfeldes. Das ist sehr spannend und informativ für mich. Lass es dir weiter gut gehen und sei herzlichst umarmt. Alex