Hey Hey,

ich hab mich sehr lange nicht gemeldet, aber jetzt gibt es wieder ein paar Updates!

Ich denke die im Titel geschriebene Frage können sich viele Menschen in meinem Alter stellen, die vielleicht in mehreren verschiedenen sozialen Gruppen sind und dementsprechend innerhalb weniger Stunden von dem kurzen bauchfreien Top mit knapper Jeans zum konservativen hochgeschnittenen Kleid schlüpfen können. #brandenburgundberlin

Wer bin ich eigentlich? Muss ich mich entscheiden?

Ich trage zuhause meistens eine lockere Hose, die an den richtigen Stellen figurbetont ist, ein bauchfreies Top und dazu gerne einen Pulli über den Schultern oder ne coole Jacke, weil mir sehr oft kalt ist in Deutschland, Sneaker und Mascara (höchstens)… auf Sansibar sieht das mittlerweile anders aus… ich trage ein sehr langes Kleid (immer mindestens über die Knie oder welches sogar meine Knöchel bedeckt), Birkenstock-Schuhe, teilweise Ohringe und Ketten, immer Mascara und Eyeliner und ein KOPFTUCH.

Ein Beispiel eines alltäglichen Outfits in Deutschland von mir
Ein Beispiel eines Outfits mittlerweile auf Sansibar

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meine sehr konservativ deutsch geprägte Großmutter hat mich kurz vor meiner Ausreise letztes Jahr noch gefragt, ob ich denn auf der muslimischen Insel denn ETWA ein auch Kopftuch tragen würde. Wie könnte ich nur! Ich habe es nicht vollkommen ausgeschlossen, weil ich sehr offen und erwartungslos dementsprechend in mein Freiwilligendienst gestartet bin und nur wusste, dass die Insel muslimisch geprägt sei, aber vorstellen könnte ich es mir definitiv noch nicht.

Ich bin zwar in der Kirche in Mwanakwerekwe (auf Sansibar) zuerst mit meiner Mitfreiwilligen von einer anderen Organisation eingezogen, bin aber nach zweieinhalb Monaten ausgezogen und habe mir eine eigene Wohnung in der Stadt Stonetown gesucht. Nun wohne ich auf keinem christlichen Kirchengelände und in keiner Gastfamilie mehr, wo ich viel über die christlichen und inneren sozialen Strukturen kennenlernen hätte können.
Das hat mich recht trauig gemacht, aber mir schnell eine neue Aufgabe gesucht.

Das Festland von Tansania ist größtenteils christlich geprägt, im Gegensatz zu den Inseln Pemba und Sansibar. Auf Sansibar zählen sich mind. 98% der Bevölkerung dem Islam angehörig.

Ich habe mir eine Wohnung genau im Zentrum von Stonetown gesucht, wodurch ich mitten in der lokalen muslimischen Gemeinschaft lebe und mich so dazu entschied ab dem 23.12.2023 ein Kopftuch aus Anpassungs-Gründen zu tragen. Ich habe einige Tage vorher mit einem muslimischen Freund geschaut, wie ich ein Hijab (volles Kopftuch) oder ein „Kilemba“ (eine Art Turban) binde und wie ich mich damit fühle. Wir waren dann jeweils eine Nacht für ein paar Stunden zusammen auf den Straßen, wo ich dann eins von beiden trug und mich beobachtete, wie ich mich fühle. Zu meiner Überraschung habe ich mich von Anfang an viel wohler gefühlt!

Hier trage ich ein Hijab

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hier trage ich ein Kilemba
Hier ebenfalls ein Kilemba

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich trage mittlerweile ein Kilemba, weil ich mit der Art des Kopftuches besser identifizieren kann. Ich möchte mich nämlich auf keinen Fall als Muslimin „verkleiden“ oder mich so ausgeben. Ich möchte lediglich äußerlich meine Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber der muslimischen Religion zeigen.

Auch das Reisen auf der Insel traue ich mir mittlerweile mehr zu durch das Kopftuch. Hiermit fällt es mir auch um einiges leichter, weil ich, nach meiner Wahrnehmung, nicht mehr so unangenehm auffalle, sondern eher wertschätzend angesehen werde. Ich bilde mir ein, dass ich hin und wieder den Gedanken älterer Frauen wie „schön, dass sie sich anpasst, sie wird kein klassischer (oft damit verbunden: rassistischer/der Religion/Kultur abwertender) Mzungu sein“ höre.

Ich muss dazu sagen, dass ich die steifen Vorurteile auch sehr gut nachvollziehen kann. Ich sehe oft auf den Straßen, dass das Verhalten von Touristen rassistisch und stark mit dem „white saviour“ Gedanken geprägt ist. Sei es, dass weiße Personen Fotos mit Kindern/älteren Menschen in der „white saviour“- Perspektive machen, Geld verschenken oder sich junge Menschen schnell in lokale Personen verlieben und diese durch die Verliebtheit, finanziell stark unterstützen, was demnach auch oft ausgenutzt wird. Das sind absolut keine Ausnahmen!
Dazu wohne ich in der Stadt, die auch sehr vom Tourismus lebt, wodurch es hier (und auch in touristischen Küstengegenden) sogar eine Begrüßung nur von und für Touristen gibt, damit sich die weißen Menschen gut fühlen „etwas Swahili sprechen zu können“. Jambo! – Das benutzt keine lokale Person… demnach traurig, aber die Einstellung gegenüber weißen Personen ist mir deswegen verständlich.
Deswegen freue ich mich aber um so mehr, wenn ich als offene respektvolle Person erkannt werde.

Ich habe hier eine „fromme“, muslimisch geprägte, bewusste und ruhige Version meiner Selbst gefunden/geschaffen. Der Lebensstil prägt mich sehr, aber ich genieße es. Trotzdem vermisse ich manchmal auch die laute und chaotische Selina, die ich aber mit Freunden aus Deutschland, die zu Besuch kamen, wieder zum Leben erwecken konnte. Ich habe eine neue Version von mir geschaffen, von der mein altes Ich aus Deutschland viel lernen kann! Welche Versionen werdet ihr von euch schaffen?

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